Ja, man kann ohne Hauptschulabschluss oder mittlere Reife eine Umschulung machen! Der Gesetzgeber hat dafür mit § 81 SGB III die Grundlagen dafür geschaffen. Es gelten hier jedoch einige spezielle Regeln, denn wer die Schule formal nicht beendet hat, dem fehlen oft auch Qualifikationen, die für eine erfolgreiche Umschulung essentiell sind. Insbesondere Schwächen beim Lesen und Schreiben (gegebenenfalls sogar Analphabetismus), sowie bei den Grundrechenarten, sollten vor dem Beginn der Maßnahme behoben werden. Viele ungelernte, aber berufserfahrene Arbeitnehmer ohne Schulabschluss zögern, doch wer seine Ängste überwindet und sich Hilfe sucht, der kann mit einer zweijährigen Umschulung in einen neuen Beruf wechseln. Viele interessante und finanziell lukrativere Jobs warten anschließend auf Sie!
Wer kann eine Umschulung ohne Schulabschluss machen?
Da eine Umschulung eine teure und zeitaufwendige Maßnahme ist, ist die Gewährung mit Voraussetzungen und Auflagen verknüpft. Diese wiederum sind auf unterschiedliche Personenkreise ausgerichtet. Im Grundsatz gilt jedoch, dass jeder mit Wohnsitz in Deutschland eine Umschulung beantragen kann. Maßgebliches Kriterium ist hier auch immer, dass Sie „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen“, also tatsächlich arbeiten könnten.
Um Interessenten richtig einzuordnen, ist eine individuelle Beratung unumgänglich. Die Agentur für Arbeit ist hierbei für Sie zuständig, wenn Sie ohne Schulabschluss berufliche Erfahrungen mitbringen und in Ihrem gegenwärtigen Beruf keine Zukunft haben: Sie wurden bereits gekündigt oder es ist absehbar, dass Sie bald Ihren Job verlieren werden. Wenn Sie arbeitslos sind und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG 1) haben, dann wenden Sie sich bitte an das Jobcenter.
Kein Schulabschluss = keine Chance auf dem Arbeitsmarkt?
Keinen Schulabschluss vorweisen zu können, kann zweierlei bedeuten: Sie haben nie die Schule formal beendet oder zum anderen, dass Sie nicht mit einem Zeugnis beweisen können, dass Sie einen Abschluss haben. Das letztere Problem haben in der Praxis viele Bewerber mit Migrationshintergrund oder wenn Sie im Ausland gelebt haben. Die Arbeitsagentur macht hier zunächst keinen Unterschied: Wer eine Umschulung machen möchte, egal ob mit oder ohne Schulabschluss, muss bereits Arbeitnehmer gewesen sein. Andernfalls werden Sie in der Regel auf eine Ausbildung verwiesen.
Die Grundvoraussetzung für eine Umschulung ist der Nachweis einer dreijährigen beruflichen Tätigkeit. Die Berufstätigkeit kann gelernt oder ungelernt sein und ist sehr weit gefasst:
- jede sozialversicherungspflichtige Tätigkeit mit mindestens 15 Stunden pro Woche Umfang
- die Zeiten einer begonnenen, aber nicht abgeschlossenen Berufsausbildung
- die Dauer des Wehr- und Zivildienstes
- der Zeitraum der Kindererziehung und Pflege einer Person mit mindestens Pflegegrad 2, sowie die Haushaltsführung in einem mindestens zwei Personen Haushalt.
Ich habe noch nie in einem Job gearbeitet – kann ich dennoch umschulen?
Ja, im Ausnahmefall kann vom Erfordernis der dreijährigen beruflichen Tätigkeit abgesehen werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn besondereGründe dafür in der Person des Antragstellers liegen:
- Alleinerziehende mit Kind ohne Berufsabschluss
- beim Umschulungsziel handelt es sich um einen sehr gefragten Mangelberuf, z. B. Altenpfleger / Pflegefachkraft / Krankenpfleger.
Sicheres Deutsch und ein Hauptschulabschluss sollten in dem Fall aber vorhanden sein. Andernfalls ist auch hier ein berufsbezogene Vorbereitungskurs erforderlich.
Welche Fragen und Tests kommen im Beratungsgespräch auf mich zu?
Wenn Sie nur eine ungelernte Tätigkeit ohne Schulabschluss vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ausgeführt haben, dann lässt das gewisse Rückschlüsse auf die individuellen Fähigkeiten zu. Dennoch: Wer eine Förderung für seine Umschulungsmaßnahme sucht, muss sich gefallen lassen, dass seine Entwicklungsmöglichkeiten beurteilt werden. Beantragen Sie einen Gesprächstermin beim Arbeitsamt und stellen Sie sich auf folgendes ein:
- Sie werden Fragen zu Ihrer Schulausbildung bekommen: Wie lange haben Sie die Schule besucht? Welche Schule? Warum haben Sie die Schule nicht formal beendet?
- Welche Arbeiten und Jobs haben Sie bisher gemacht? Gibt es Arbeitszeugnisse?
- Besitzen Sie alle Grundkompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben? Ist Ihr Deutsch ausreichend?
Welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Sprachkenntnisse oder die allgemeinen schulischen Fähigkeiten nicht ausreichen?
Egal, ob Sie einen Schulabschluss haben oder nicht: Bestehen Zweifel an ausreichenden Berufskompetenzen, so haben Arbeitsagentur und Jobcenter die Möglichkeit, Sprachkurse und Vorbereitungskurse zu fördern. Im Rahmen der Förderung des Personenkreises ohne Schulabschluss wird es sich hier um Veranstaltungen handeln, die als „Berufsbezogener Sprachkurs mit Zielsprachniveau A2“ bezeichnet werden und in jeder deutschen Stadt regelmäßig angeboten werden. Defizite im Bereich von Lesen, Schreiben, Mathematik und Informations- und Kommunikationstechnologie können durch vorbereitende Kurse behoben werden.
Was ist eine Begutachtung durch den Berufspsychologischen Service (BPS)?
Voraussetzung für eine Förderung ist immer die Feststellung, dass Sie für eine Bildungsmaßnahme geeignet sind. Der/die Mitarbeiter/in der Arbeitsagentur oder des Jobcenters wird zu diesem Zweck vielleicht auch den Berufspsychologischen Service (BPS) mit einem Gutachten betrauen. Dies ist durch Dienstanweisung als Regelfall festgelegt, um die Qualität der Entscheidung auch im Sinne des Bewerbers/der Bewerberin abzusichern. Von der Erstellung eines Gutachtens kann abgesehen werden, wenn der Sachbearbeiter sich in der Lage sieht, das Vorliegen ausreichender intellektueller Leistungsfähigkeit, die Motivation und die Aktualität schulischer Kenntnisse für eine Weiterbildung anderweitig zu dokumentieren.
Sie müssen sich vor der Begutachtung keine Sorgen machen oder Angst haben. Das Ergebnis wird Ihnen Frust und Enttäuschung in der Zukunft ersparen. Der Abbruch einer ungeeigneten Umschulung ist nicht nur eine Zeitverschwendung, sondern oft auch mit Selbstzweifeln und Verunsicherung verbunden. Ersparen Sie sich das.
Welche Lehrinhalte werden in Kursen vermittelt, die der Förderung von Grundkompetenzen dienen?
Die Kurse zur Vermittlung von Grundkompetenzen für Bewerber ohne Schulabschluss werden unter verschiedenen Bezeichnungen überall in Deutschland angeboten. Eine Übersicht findet man unter „Allgemeinbildung mit Berufsbezug“ bei der Arbeitsagentur. Die Kurse der verschiedenen Anbieter unterscheiden sich zunächst nicht, allerdings können einzelne Veranstalter stärker auf individuelle Forderungen eingehen und bieten zusätzliche Leistungen an:
- Allgemeiner Grundlagenbereich und Erwerb des Hauptschulabschlusses
- Bildungsangebote des 2. Bildungswegs
- Ausbildungsbausteine und Teilqualifikationen für gewerbliche oder technische Berufe
- Ausbildungsvorbereitung für verschiedene Berufsfelder (berufliche Grundbildung)
- Berufliche Berufsvorbereitung und Berufsübergreifende Grundqualifikationen
- Berufseinstiegsschule
Um was geht es in den Kursen?
1. Mathematik: Damit sind die Anwendungen grundlegender Rechenarten, aber auch fach- und handelsbezogener Mathe gemeint.
2. Deutsche Sprache und Kommunikation: Grundlagen der Geschäftskorrespondenz, DIN-Norm bei Geschäftsbriefen, Umgang mit Fachtexten, mündlicher Ausdruck in Telefonaten und Gesprächen.
3. Grundlagen im Bereich EDV: Schulungen am Computer in Anwenderprogrammen (überwiegend Word, Excel, MS-Office).
4. „Softskills“: Training der Kompetenz im zwischenmenschlichen Bereich, insbesondere Verhandlung, Präsentation und Gesprächsführung.
Einige Veranstaltungen werden durch ein Bewerbungstraining ergänzt. Kurse dieser Art dauern in Vollzeit drei bis vier Monate, in Teilzeit sechs Monate. Die Kosten werden durch einen Bildungsgutschein des Jobcenters oder der Arbeitsagentur übernommen. Einige Kursanbieter ermöglichen unter der Voraussetzung der Zustimmung der Arbeitsagentur oder des Jobcenters die Teilnahme von zu Hause aus per e-Learning.
Was passiert, wenn man den Vorbereitungskurs „Grundkompetenzen“ nicht besteht?
Wenn Sie an den Terminen anwesend sind, dann haben Sie den Kurs bestanden. Eine Abschlussprüfung erfolgt nicht. Die Teilnahme am Kurs wird durch ein trägereigenes Zertifikat bescheinigt und kann auch für die Bewerbung für einen Umschulungsplatz verwendet werden.
Kann man einen Hauptschulabschluss nachholen?
Unter gewissen Umständen wird Sie der Berater von der Arbeitsagentur/vom Jobcenter darauf aufmerksam machen, dass es für Sie sinnvoll wäre, den Hauptschulabschluss anzustreben. Grundsätzlich kann man in Deutschland jeden Bildungsabschluss auf dem „2. Bildungsweg“ erwerben. Dies kann in Abendkursen auch neben der Berufsausübung, in Vollzeit bei Bildungsträgern oder durch eine Externenprüfung mit Vorbereitungskursen geschehen.
In größeren Städten ermöglichen Volkshochschulen einen Hauptschulabschluss zu sehr geringen Kosten. Die Kurse finden überwiegend abends statt und wer in der Nähe einer solchen Einrichtung wohnt, sollte sich dort dazu beraten lassen. Für Berufstätige ohne Schulabschluss ist es ein unbürokratischer Weg an der Arbeitsagentur vorbei. Sie verbessern ihre Ausgangssituation bei Bewerbungen grundlegend, denn Arbeitgeber honorieren Eigeninitiative und Durchhaltevermögen.
Gibt es für manche Umschulungen konkrete Vorbereitungslehrgänge?
Ja, vor allem für Mangelberufe gibt es interessante Angebote. Diese Veranstaltungen sind vor allem für alle wichtig, die noch einen Umschulungsbetrieb suchen. Die Träger von Vorbereitungslehrgängen arbeiten eng mit Ausbildungsbetrieben zusammen und übernehmen in vielen Fällen die Vermittlung in die eigentliche Umschulung. Die Mehrzahl dieser Kurse setzt einen Schulabschluss voraus. Dieser kann aber in Absprache mit der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter durch ein Seminar „Grundkompetenzen“ ersetzt werden.
Für zahlreiche Berufe gibt es einwöchige Kurse, die der Eignungsfeststellung und der Potenzialanalyse dienen. Die Kosten werden von der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter oder der Rentenversicherung nach Absprache übernommen. Sie sind sehr hilfreich bei der Entscheidung, ob mit der Umschulungsmaßnahme direkt begonnen werden kann oder ob ein Vorbereitungskurs die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss erhöht.
Solche Vorbereitungskurse gibt es durch Bildungsgutschein gefördert für Metallberufe (3 bis 4 Monate) und für Büroberufe mit unterschiedlicher Dauer und verschiedenen Schwerpunkten (EDV, deutsche Sprache und Kommunikation u. a.). Nicht als Kurs bezeichnen kann man ein Betriebspraktikum, aber es ist eine Möglichkeit sich zu einem Berufsfeld zu informieren.
Wie überzeugt man einen Umschulungsbetrieb einen Bewerber ohne Schulabschluss zu akzeptieren?
Selbst einen Umschulungsplatz zu finden kann sehr schwierig sein. Oft hilft die persönliche Empfehlung des früheren Arbeitgebers und gute Arbeitszeugnis. Ansonsten ist der Betreuer bei der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter Ihr Ansprechpartner: Oftmals führen Sie mit Ihnen zusammen Telefonate oder wissen, an welche Unternehmen in der Region man sich wenden kann. Dabei gilt aber fast immer: Der berufsbezogene Vorbereitungskurs ist für Umschüler ohne Schulabschluss für alle Umschulungen, die nicht durch einen Bildungsträger durchgeführt werden, fast unersetzlich. Danach stehen Ihnen als Belohnung jedoch tatsächlich viele Türen offen.
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